In meinem bisherigen Leben brauchte ich regelmäßig die Erlaubnis von anderen etwas zu tun oder etwas nicht zu tun. Die Bestätigung, dass etwas okay oder richtig ist, was ich tue. Und ich war gewissenhaft und ausdauernd dabei. Zog das, was ich dann tat, 100%ig und mit größtem Durchhaltevermögen durch. Unvollständig oder nicht so korrekt wie es nur irgendwie ging gab es nicht.
Ich habe mich oft gefragt, wieso das so ist. Typische Botschaften wie "das macht man so" gab es z.B. in meinem Elternhaus kaum. Meine Theorie war, dass ich einfach "richtig" sein wollte. Ich fühlte mich ganz tief drin so wenig richtig, so anders, so unwert, dass ich für mein Tun und Sein die Erlaubnis von außen brauchte um das Gefühl zu bekommen, dass es richtig ist. Ich richtig bin. Zudem hatte ich den Gedanken, dass es mir half mich unauffällig zu machen. Je richtiger ich bin, desto weniger auffällig bin ich, desto weniger wird Notiz von mir genommen. Denn gesehen zu werden, war eine Zeit lang das Schlimmste für mich.
Auch wenn sich das schlüssig anfühlte, fühlte es sich auch irgendwie immer nach Theorie an. Wie nur die halbe Wahrheit. Und eben machte es plötzlich klick. Ohne danach gesucht zu haben habe ich, glaube ich, die andere Hälfte entdeckt.
Ich glaube, ich war so, weil ich keinen Halt hatte in meinem Leben. Ich war absolut haltlos und völlig auf mich alleine gestellt. Vorgaben von außen, Bestätigungen von anderen, dass mein geplantes Tun, z.B. bei der Arbeit, korrekt oder in Ordnung ist, Erlaubniserteilungen, das gab mir etwas Greifbares, etwas zum Festhalten, einen Halt. Und dann stürzte ich mich darauf und setzte das in maßloser Perfektion um. Wenn ich zwischendurch unsicher wurde, z.B. wenn sich der Gedanke von Sinnlosigkeit einzelner Schritte in mein ratterndes Hirn stahl, wurde ich innerlich panisch und klammerte ich mich noch mehr an meinem Tun fest. Ich zog in alle Richtungen, in jeder Ausprägung durch. Ich brauchte diesen Halt, dieses festgetackerte Drahtseil, ich hörte erst auf, wenn alles abgearbeitet war, so wenig notwendig oder zielführend einzelne Schritte auch gewesen waren, es mussten alle Optionen erledigt sein, bevor ich abschließen konnte.
Ja, ich glaube, das war es. Das fühlt sich richtig an, wahr. Nicht mehr nur wie Theorie. Das kann ich nicht nur denken sondern auch fühlen. Haltlosigkeit und mein hilfloser Kampf dagegen, das war neben bzw. ich denke noch VOR den schon genannten Erklärungen der Hintergrund für mein Verhalten.
Und dass ich dieses gerade lerne zu verändern, passt auch dazu. Es gibt jetzt Dinge, die mir Halt geben, in meinem Leben. Allen voran die Erfahrung, dass ich nicht nur ausgeliefert bin, sondern Einfluss auf meine Verfassung, auf mein Leben nehmen kann. Und die positiven Erlebnisse und Erfahrungen, die aus dieser bahnbrechenden Lektion in den letzten 2 Jahren hervorgegangen sind. Auch wenn ich für diese immer noch so sehr ackern muss, mir meinen Halt vor allem selbst verschaffen muss, gibt mir das festeren Boden unter den Füßen.
Und ich lerne. Z.B. in dem ich den Mut habe gestellte Aufgaben nur zu 95% statt 100% zu erledigen oder einzelne Umsetzungsschritte zu ändern, vom vorgegebenen Pfad abzuweichen. Oder mich traue, vor Umsetzung einer Entscheidung eine Rückversicherung bei anderen NICHT einzuholen, ob mein Ansatz richtig ist, sondern ohne Einflussnahme von außen umzusetzen, was ich mir vorgenommen habe. Auch auf die Gefahr, dass das Ergebnis nicht das einzig richtige oder perfekt ist. Es liest sich wie kleine Schritte, für mich aber sind sie groß und sie kosten viel Kraft. Aber ich bin stolz darauf, dass ich mir einiges schon selbst erlauben kann und mit jeder bestandenen Herausforderung ein klitzekleines bisschen mehr an Sicherheit gewinne.
Auch diese heutige Erkenntnis war ein Kraftakt, wie ich gerade bemerke... Aber es fühlt sich gut an, wieder einen meiner vielen Knoten entwirrt zu haben. Und sicher hilft es auch bei den nächsten Schritten auf meinem Weg...